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Was bedeutet Veränderung? Was bedeutet „Veränderung“ aus systemischer Sicht? Und welche systemischen Tools sind vielleicht hilfreich? Das sind meine Fragen. Doch zuerst, was bedeutet Veränderung überhaupt?

Veränderung an sich

Vielleicht ist Veränderung einfach der Wechsel von einem in einen anderen Zustand, von etwas Altem in etwas Neues. Dieser Wechsel ist ohne Bewertung. Ob das Alte oder das Neue besser oder schlechter oder gleichwertig ist, ist nicht gesagt. Veränderung ist unausweichlich. Nichts ist so, wie es eben war. Was ich heute tue, tue ich heute, und so ist es von dem vermeintlich gleichen Tun von Gestern unterschieden, verändert. Oder anders gesagt: Die Zeit erzwingt eine Veränderung, denn sie steht niemals still. So kann morgiges nicht – was die Zeit betrifft – heutigem gleich sein.

Veränderung landläufig

Anders ist das nicht selten in unserem Denken. Dinge, Zusammenhänge, mein Leben scheint manchmal unveränderlich. Veränderung ist mit einer Bewertung verbunden. Veränderung ist Risiko. Veränderung ist anstrengend. Veränderung ist Verlassen von gewohntem und bewährten. Veränderung ist Verlust von Sicherheit.

Oder: Veränderung ist Entwicklung hin zu etwas Besserem. Wer sich nicht verändert, steht still, entwickelt sich zurück. Veränderung ist Wagnis – und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Wie ist das in meinem Denken? Ist Veränderung positiv oder negativ besetzt? Oder sehe ich es differenziert? Welche Bedeutung und welchen  Wert hat das Wort „Veränderung“ in meiner Familie? Was ist meine Erfahrung mit Veränderung? Das heißt, wenn ich auf meine Biographie mit der „Veränderungsbrille“ schaue, was sehe ich?

Veränderung systemisch

Im systemischen oder besser konstruktivistischen Sinne bedeutet Veränderung, dass sich in meiner Wirklichkeitskonstruktion mein Gestern von meinem Heute unterscheidet, bzw. dass ich erwarte, dass sich mein Heute von meinem Morgen unterscheidet. Ob der Unterschied von außen erkennbar und faktisch ist, oder in mir und im Konstrukt meiner Wirklichkeit besteht, ist nicht gesagt. Ich finde, das ist wesentlich, denn es gibt somit zumindest zwei Möglichkeiten von Veränderung: Die Veränderung der wirklichen Wirklichkeit und die Veränderung der konstruierten Wirklichkeit.

Veränderung als Motor

Manchmal spüre ich in mir einen starken Antrieb, Dinge zu verändern. Dieser Drang ist wie ein Motor, der, erstmal angeworfen, nicht stoppen will, bis er am Ziel ist. Er führt dazu, dass ich aktiv verändere oder Veränderungsprozesse einleite, vorantreibe und steuere. Menschheitsgeschichtlich treibt dieser Motor die Entwicklung der Gesellschaft(en) voran. Waren Entwicklung und Wachstum einmal positiv besetzt, so werden heute die Grenzen des Wachstums überdeutlich erkennbar und Entwicklung wird bisweilen mit einem hohen Preis bezahlt, was zum Beispiel unsere Umwelt bzw. Mitwelt betrifft. Und trotzdem lässt uns dieser innere Motor zu einer (hoffentlich) guten Zukunft hin strebe. Das trifft ebenso für die ganz persönliche Zukunft zu.

Veränderung als Gegenmodell

Manche Menschen regieren auf Veränderungen mit Ablehnung, Ängsten oder Regression. Veränderung steht dann gegen Sicherheit, Beständigkeit, Unvergänglichkeit. Diese Bedürfnisse haben ihre Berechtigung. Nur wenn sie absolut gesetzt werden, führen sie zu Konservativismus und Ablehnung gesellschaftlicher Veränderungen gegen die Tatsache, dass alles einer Veränderung zwangsläufig unterworfen ist. Im Leben des Einzelnen führen diese Bedürfnisse nach Sicherheit usw. ggf. zu Erstarrung, Unbeweglichkeit oder Unfähigkeit, sich auf Neues einzustellen. Veränderung ist das Gegenmodell zum Beharren auf dem, was ist.

Veränderung systemische Tools

Körperübung „Eisblock“:

Jeder nimmt sitzend oder stehend eine feste Körperhaltung ein wie eingefroren. Nach 15 Minuten „taut“ jeder auf und nimmt – wenn er will – eine andere Körperhaltung ein. Nach fünf Minuten beschreibt einer nach dem anderen die Veränderung bei sich. Was ist anders? Wie fühlt sich die Veränderung körperlich an? Welche Empfindung geht mit der Übung einher? Gibt es ein besser oder schlechter oder anders? (Der Austausch kann natürlich mit dem Therapeuten, als Paar oder in der Gruppe stattfinden entsprechend dem Setting.)

Biographiearbeit „Veränderung“:

Jeder nimmt zwei Phasen aus seinem Leben, die möglichst weit auseinanderliegen. Was hat sich verändert? Was hat sich nicht verändert? Welchen Einfluss hat die frühere Phase auf die neuere und umgekehrt? Mit welcher Wertung versehe ich die Veränderung? Gibt es auch eine andere Möglichkeit der Bewertung? Wie hat oder würde XY meine Veränderung bewerten? Was hat meine Veränderung bei mir und bei anderen bewirkt?

Kreatives, meditatives Malen „Veränderung“:

Ich stelle mich in einer Situation X vor und in einer veränderten Situation X vor. Zuerst male ich die jeweilige Situation und dann die Verbindung, den Weg, den Bezug usw. zwischen beiden. Was sieht jemand anderes, wenn er mein Bild sieht? Was sehe ich? Hat sich die Veränderung im Malen verändert?

Schreibwerkstatt „Veränderung“:

Ich schreibe fünf Worte, die mir spontan zu Veränderung einfallen. Mit diesen Worten schreibe ich eine Geschichte, die von einer (konkrete) Veränderung erzählt oder berichtet. Zum einen kann ein Austausch über die Geschichten stattfinden. Zum anderen kann ich mir diesen Text in einem Brief schicken (für später).

Aufstellung „Meine Veränderung“:

(1) Ganz konkret die angestrebte Veränderung benennen und auf eine Karte (weiß) schreiben. (2) Da die Veränderung noch aussteht, lege ich die Karte nah oder weit vor mich. (3) Ich drehe mich um und schaue, was mich aus der Vergangenheit oder jetzt antreibt, mich zu verändern. Ich schreibe die „Antreiber“ auf Karten (blau) und (4) lege sie in die „Vergangenheit“ oder das „Jetzt“ entsprechend dem empfundenen zeitlichen Abstand. (5) Ich drehe mich wieder um und schaue auf das, was mich zu einer Veränderung hin „zieht“. Ich schreibe das, was mich zieht, auf Karten (gelb) und (6) lege sie vor mich endsprechend ihrer gefühlten Entfernung. (7) Ich überlege, welche ehrenwerten Widerstände meiner Veränderung im Weg stehen, und schreibe sie auf Karten (rot). (8) Ich lege sie zu mir oder den anderen Karten entsprechend ihrer Nähe. (9) Ich stelle mich auf die Karten in der Reihenfolge von hinten, wie ich sie auf den Boden gelegt habe und benenne mein Empfinden. (10) Zum Schluss gehe ich auf meinen Platz zurück und beschreibe die mögliche Veränderung bei mir. (11) Was ist das Fazit für mich im Blick auf die von mir angestrebte Veränderung (weiße Karte).

Veränderung ja oder nein

Es könnte sein, dass es gut ist, dass ich mich verändere. Es könnte sein, dass es gut ist, dass ich mich nicht verändere. Es könnte sein, dass ich mich einfach vom Strom der Zeit treiben lassen oder von anderen. Es könnte sein, dass ich mich so oder so entscheiden muss.

Wie bekomme ich eine positive Haltung zu einer möglichen Veränderung? Am Anfang steht der Kopf und die Entscheidung, die er trifft. Ist mein Kopf klug, nutzt er alle Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen. Ressourcen könnten sein: Meine grundsätzliche Haltung zu Veränderungen. Fühle ich mich mutig, entscheidungsfreudig, offen. Welchen Stellenwert hat Veränderung in meiner Familie? Was sagen mir meine Gefühle, wenn ich in mich hinein horche? Welche Erfahrungen habe ich mit Veränderungen gemacht? Gibt es etwas, das mich „zieht“? Gibt es etwas, das mich zu neuen Ufern „treibt“? Gibt es Menschen, mit denen ich mich beraten kann? Gibt es ehrenwerte Hindernisse? Wie gehe ich mit ihnen um? Welche Ressourcen besitze ich, die mir hier noch hilfreich sein könnten?

Habe ich ein Bild vom heute, vom Veränderungsprozess und von der Veränderung? Wenn ich diese Bilder nebeneinander legen, kann ich mir vorstellen, wie ich auf dem Weg unterwegs bin?

Was mache ich mit „Rückschlägen“? Hier entscheidet der Kopf von neuem. Gehe ich weiter, zurück, woanders hin oder entwickle ich einen ganz neuen Plan. Gibt es eine Veränderung der Veränderung?

Veränderung Fazit

„Alles fließt und nichts bleibt; es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln.“ (Heraklit/Platon) Und da stehe ich Menschlein und kann nicht anders, als meinen Weg zu gehen. Wenn er gelingt, führt meine Veränderung zu mehr Glück. Wenn nicht, könnte ich mich ja verändern oder glücklich werden mit dem, was ist.

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